
Damenleibchen nach Dr. Lahmann
Strickerei H. Heinzelmann, Reutlingen, um 1920 | Baumwolle, L 72 cm, B 40 cm | Heimatmuseum Reutlingen, Inv. Nr. 2003/0338
Flechttrikotage aus Baumwollgarn gewirkt. Ein angenähtes Etikett verspricht: “Echt Dr. Lahmann. Alleinige Fabrik H. Heinzelmann. Reutlingen.” Der Arzt und Lebensreformer Dr. Heinrich Lahmann (1860-1905) hatte sich nach dem Medizinstudium 1885 als praktischer Arzt in Stuttgart niedergelassen, wo der Zoologe Gustav Jäger (1832-1917) seit 1879 seine wollene Reformkleidung von der Wirkwarenfabrik Wilhelm Benger Söhne herstellen ließ. Mit seiner “Kritik der Prof. Dr. Jägerschen Wollbekleidungslehre, Seelenlehre und Heiltheorie”, erschienen 1887 im Stuttgarter Sanitätsverlag, positionierte sich Lahmann als Gegner des “Woll-Jägers” und propagierte Baumwolle als einzig zulässiges Gespinst für Unterwäsche, insbesondere für Damen, die durch Schnürmieder und Korsettgestänge ungeahnten gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt waren. Für die Reutlinger Strickerei Helmut Heinzelmann entwarf Lahmann eigene Reformwäsche aus Baumwolle, deren luftdurchlässige Maschen zum Markenzeichen von “Dr. Lahmanns Unterkleidung” wurden. Lahmann, seit 1888 Leiter eines eigenen Sanatoriums bei Dresden, wurde in wenigen Jahren zu einer Kapazität in Sachen Naturheilkunde; das steigerte den Absatz seiner Reformwäsche enorm und lieferte dem Reutlinger Unternehmen und ihm selbst gute Erträge.