
Geschützgranate
L 30 cm, Dm 15 cm | Offenburg, Museum im Ritterhaus
Diese Geschützgranate ist Zeugnis des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71, der, kurz und siegreich für die Deutschen, wie kein anderer im badischen Grenzgebiet glorifiziert wurde. Zum 25. Kriegsjubiläum 1895 wurde sie im Offenburger Museum als Kriegssouvenir und Symbol für den jahrzehntelang gefeierten Sieg über die Franzosen ausgestellt. Sie trägt die in goldener Farbe aufgebrachte Beschriftung “19. August 1870 Beschiess. Strassburg”; allerdings stammt dieses Exemplar aus dem Arsenal der lothringischen Festung Diedenhofen (Thionville). Die deutschen Truppen griffen auf dem Vormarsch nach dem großen Fort Belfort zunächst die Befestigungswerke von Straßburg an, die wie die Zitadelle in Belfort großenteil noch aus der Epoche Ludwigs des XIV. stammten. Die Belagerung Straßburgs dauerte vom 12. August 1870 bis zur Kapitulation der französischen Festung am 28. September desselben Jahres. Am 19. August wurde von der französischen Festungsartillerie die außerhalb der Gefechtslinien liegende offene Stadt Kehl beschossen; was auf deutscher Seite zu förmlichen Protesten und der Androhung von Vergeltungsmaßnahmen führte. Darauf bezieht sich die Aufschrift. An 45 Beschießungstagen sollen während der Belagerung durchschnittlich 4967 Geschosse pro Tag abgefeuert worden sein. Die technische Überlegenheit der deutschen Artellerie beruhte auf einem neuen Geschütztyp mit gezogenen Rohren, dessen Reichweite, Treffsicherheit und Wirkung glattläufige Geschütze weit übertraf. Statt kugelförmiger Geschosse kamen neue, zylindrische, in Flugrichtung zugespitzte Geschosskörper zum Einsatz. Die hier gezeigte Granate war für die “kurze 15-cm-Bronzekanone C/70″ bestimmt, ein Steilfeuergeschütz für den Kampf um Festungen, und zwar sowohl für den Angriff wie für die Verteidigung. Die Maximalschussweite betrug 4.400 Meter. Etwa ein Drittel der deutschen Belagerungsgeschütze bestanden aus diesem Typ. Der eiserne Geschosskörper enthielt 1.900 g Schwarzpulver und war mit einem Bleimantel umgeben, der die plastische Verbindung zu den Zügen des Rohres herstellte. Sie versetzten die Granate in Rotation, damit sie mit der Spitze voran flog und eine präzise Flugbahn beschrieb.