
Vier Soldaten
farbig staffiert | Blaumarke: Bekröntes WG | Porzellanfabrik F. & W. Goebel, Oeslau-Wilhelmsfeld, 1918/19 H. jeweils ca. 10 cm | Kornwestheim, Sammlermuseum Gert K. Nagel
Die Siegermächte des Ersten Weltkrieges “karteln” das Schicksal Deutschlands aus. Die Figurengruppe karikiert die Folgen der militärischen Niederlage, wohl noch vor der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Versailles im Juni 1919, der den Kriegszustand zwischen dem Deutschen Reich und den Siegermächten offiziell beendete. Der Vertrag machte Deutschland und seine Verbündeten als Urheber des Krieges für alle Verluste und Schäden verantwortlich und verpflichtete daher zu Gebietsabtretungen und Reparationszahlungen an die Siegermächte. Allerdings waren die federführende Siegermacht in Versailles die USA, an deren Stelle unsere Figurengruppe (noch) einen russischen Soldaten zeigt. Russland jedoch hatte in Folge der Oktoberrevolution bereits im März 1918 einen Separatfrieden mit Deutschland geschlossen. Man kann also annehmen, dass die Entstehung der Gruppe eng mit dem Kriegsende 1918 verbunden ist.
Vier Soldaten spielen um die “Siegerbeute”. Dabei ist es möglicherweise kein Zufall, dass der französische Soldat seine Karte ausspielt: Frankreich hatte die größten Kriegsverluste zu erleiden. Die drei anderen müssen “Farbe bekennen”. Die Spielergruppe in Gert K. Nagels Sammlermuseum in Kornwestheim ist fester Bestandteil der beliebten Themenführung Den Nagel auf den Kopf getroffen – mit Exponaten Sprichwörtern auf die Schliche kommen, mit der der frühere Auktionator seine Besucher stets zu begeistern weiß.
“Farbe bekennen” hieß es zu Beginn des Weltkrieges zum Teil auch noch bei der militärischen Ausrüstung. So stammte die Uniform, mit der die französischen Soldaten 1914 an die Front geschickt wurden, in weiten Teilen noch aus dem Deutsch-Französischen Krieg: Die leuchtend roten Hosen und das rote Kepi machten ihre Träger zum leichten Ziel für die deutschen Maschinengewehre. Als wegweisend erwies sich die Ausrüstung der englischen Infanterie, die seit dem Burenkrieg eine khakifarbene Uniform mit Wickelgamaschen und Schirmmütze trug. Auch die russischen Soldaten marschierten in unbunte Farben gekleidet ins Feld: Über die 1907 eingeführten reithosenartigen Beinkleider (Breeches) aus grünbrauner Baumwolle trugen sie als Waffenrock seit 1912 eine “Gymnastiorka” nach Art der traditionellen russischen Bauernjoppe und (im Winter) eine Fellmütze. Bei der italienischen Armee wurde 1909 wurde ein grüngrauer Uniformstoff eingeführt. Als Kopfbedeckung trugen die Bersaglieri (leichte Infanterie) einen weit ausladenden Hut mit schwarzgrünen Hahnenfedern, wie ihn die entsprechende Figur in der Spielerrunde zeigt.
Der Hersteller der Figuren, die Porzellanfabrik Goebel, wurde 1871 im oberfränkischen Oeslau-Wilhelmsfeld (heute Teil der Stadt Rödental) als Familienbetrieb gegründet. Bekannt geworden ist die Firma übrigens in den 1930er Jahren als Produzent der sog. “Hummelfiguren” nach Zeichnungen der Franziskanerschwester Maria Innocentia Hummel (1909-1946) aus dem Kloster Kloster Sießen bei Bad Saulgau.
Das Sammlermuseum Gert K. Nagel ist samstags und sonntags von 11-18 Uhr geöffnet. Führungen nach telefonischer Vereinbarung unter 0172/9484941.